Folge Fünfundzwanzig: Gesa Lürßen
Montag, den 14.12.2020
Gesa Lürßen leitet den männlichen Jugendvollzug einer Justizvollzugsanstalt (JVA). Zunächst wollte ich von ihr wissen, ob sie denn Kontakt zu den Gefangenen hätte und sie erzählte mir, wie sie jeden Tag durch die gleichen Räume liefe, wie auch die Insassen und täglich mit ihnen sprach. Unser Gespräch wurde relativ schnell intensiv, da sie mir von Schicksalen, Biografien und Gründen erzählte, warum junge Männer bei ihnen landeten. Sie erzählte mir von Gewalt und den Wegen, die sie benutzen, um die jungen Männer zu „resozialisieren“.
Doch neben den Geschichten, die sie aus dem Gefängnis teilte, sprach sie auch über ihren eigenen Weg. Sie studierte Jura. Doch war sie sich eigentlich von Anfang an bewusst, dass sie keine Richterin oder Anwältin werden wollte. Sie wusste lange nicht, was sie mit ihrem Studium anfangen sollte, bis sie in einem Modul übers Strafrecht lernte und sie Touren durch Gefängnisse machten. Daraufhin wollte sie ihre Doktorarbeit schreiben und verbrachte sehr viel Zeit in Gefängnissen, um Gefangene zu interviewen. Nach sechs Jahren, war die Arbeit jedoch leider so groß geworden, dass sie sie nicht beenden konnte. Eines Tages sah sie bzw. Freunde von ihr eine Anzeige in der Zeitung für die Leitung des männlichen Jugendvollzuges und kurzerhand bewarb sie sich. Sie hätte nie gedacht, dass sie diese Stelle bekommen würde, da Gefängniserfahrung vorausgesetzt wurde und sie nicht dachte, dass ihre Arbeit an der Doktorarbeit, als Erfahrung zählen würde. Doch es stellte sich heraus, dass sie aus allen Bewerbern sogar die meiste Zeit im Gefängnis verbracht hatte.
Abgesehen davon, dass ich die Arbeit im Gefängnis sowieso super spannend finde, habe ich mitnehmen können, dass es nicht so wichtig ist, dass man gleich am Anfang seines Studiums weiß, was einem dieses bringt. Gesa hätte vielleicht was anderes studieren können und wäre trotzdem dort gelandet, wo sie heute ist, vielleicht aber auch ganz woanders. Außerdem war es nicht so wichtig, ob sie letztendlich ihre Doktorarbeit beendet hat oder nicht, denn die ganzen Stunden brachten ihr die Erfahrung, die sie für ihren heutigen Beruf brauchte. Ganz nach dem Motto: der Weg ist das Ziel.